Glaube, Zweifel, Form – Was haben sich Kunst und Religion heute noch zu sagen?
19.12 - 24.01.26
In einer zunehmend säkularisierten Welt scheint das Religiöse oft an den Rand gesellschaftlicher Wahrnehmung gerückt. Doch gerade die zeitgenössische Kunst zeigt, dass das Bedürfnis nach Sinn, Transzendenz und spiritueller Erfahrung fortbesteht – jenseits institutioneller Formen des Glaubens.
Die Ausstellung Glaube, Zweifel, Form widmet sich der vielschichtigen Beziehung zwischen Kunst und Religion in der Gegenwart. Künstlerinnen und Künstler unserer Zeit greifen religiöse Symbole, Rituale und Materialien nicht als Dogmen, sondern als offene Zeichen auf: als ästhetische, kulturelle und emotionale Archive des Menschlichen.
Das Verhältnis zwischen Kunst und Religion blickt auf eine lange, komplexe Geschichte zurück – von den sakralen Bildwelten vergangener Jahrhunderte bis zu den fragmentierten, oft ambivalenten Ausdrucksformen der Gegenwart. Während Religion einst eine zentrale Quelle künstlerischer Inspiration war, hat sich die Kunst in der Moderne zunehmend von institutionellen Glaubenssystemen gelöst. Doch gerade in dieser Distanz eröffnet sich ein neuer, freierer Raum des Nachdenkens über das Religiöse: nicht mehr als Dogma, sondern als Erfahrung, Spur und ästhetische Möglichkeit.
In der zeitgenössischen Kunst erscheint das Heilige nicht mehr als festgeschriebene Wahrheit, sondern als etwas Fragiles, Flüchtiges – als Bewegung zwischen Glaube und Zweifel, zwischen Sichtbarkeit und Unsichtbarkeit. Viele Künstler:innen beschäftigen sich mit Fragen von Transzendenz, innerer Leere, Ritual und spiritueller Präsenz im Material. Dabei entstehen Werke, die religiöse Formen nicht bestätigen, sondern befragen:
Wie viel Spiritualität steckt in einer Geste? Kann eine Oberfläche beten? Ist Licht ein Medium der Offenbarung – oder bloß eine physikalische Erscheinung?
Künstlerische Ausdrucksformen verhandeln das Religiöse heute auf ästhetischer Ebene. Sie suchen nicht nach dem Übernatürlichen, sondern nach Intensität, nach Resonanz – nach Momenten, in denen Wahrnehmung zu Erfahrung wird. Das Sakrale zeigt sich nicht als „anderer Raum“, sondern als etwas, das im Hier und Jetzt aufscheint: in einer Farbe, einem Klang, einem Atemzug. Kunst wird so zu einer Form des Glaubens – nicht an eine höhere Macht, sondern an das Potenzial des Bildes, des Materials und des menschlichen Ausdrucks.
Gleichzeitig bleibt der Zweifel ein zentrales Motiv. Das religiöse Erbe ist nicht nur Quelle der Inspiration, sondern auch der Auseinandersetzung, der Entfremdung, der Kritik. Viele zeitgenössische Werke reflektieren, wie tief religiöse Systeme in Macht, Geschlecht, Körper oder Geschichte verstrickt sind. Der Umgang mit dem Heiligen wird so zum Umgang mit Erinnerung und Verletzung, mit Sehnsucht und Verlust.
In dieser Schwebe zwischen Glauben und Sehen entsteht eine neue Form der Spiritualität – eine, die nicht auf metaphysische Wahrheiten verweist, sondern auf die sinnliche Erfahrung selbst. Das Heilige wird nicht mehr gesucht, sondern gespürt, erinnert, erprobt. Vielleicht liegt genau darin die zeitgenössische Offenbarung: im Moment der ästhetischen Präsenz, in dem Kunst und Religion einander kurz berühren – bevor sie wieder auseinanderdriften.
Mit der Ausstellung Glaube, Zweifel, Form werden unterschiedliche Facetten des Religiösen in der Gegenwartskunst beleuchtet: die Fragilität von Wahrheit, neue Perspektiven auf christliche Ikonografie, das Spannungsverhältnis zwischen Ethik und Ästhetik, die Medialisierung des Glaubens sowie die existenziellen Abgründe zwischen Anfang und Endlichkeit.
Indem sich Künstler:innen mit ihrer Kreativität dem Göttlichen annähern, stellen sie zentrale Fragen an unsere Zeit: Wie inspiriert uns das Heilige heute noch – und was haben sich Kunst und Religion heute noch zu sagen?
Die gezeigten Werke werden so zu Schlüsseln für ein tieferes Verständnis unserer komplexen Gegenwart und eröffnen neue Denk- und Erfahrungsräume.
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