Berge zwischen Mythos und Kommerz_Gruppenausstellung
22.08 - 13.09.25
Gefürchtet, ersehnt und beansprucht! Wie verändern menschliche Sichtweisen und Lebenseinstellungen die alpine Landschaft? Mit dieser Frage setzt sich die Gruppenausstellung „Berge zwischen Mythos und Kommerz“ auseinander und wagt dabei einen Blick in mögliche Zukunftsszenarien.
Einst war es das Urmeer Tethys, das vor ca. 100 Millionen Jahren als höchste Hochebene Europas aufgefaltet wurde. So präsentieren sich die 1.200 Kilometer langen Alpen heute: ein sehr gezähntes Gebirge mit Tälern, Almen und bis zu 4.800 Meter hohen Gipfeln. Wind, Wasser und Eis haben sie in einem kontinuierlichen Prozess gewandelt und geformt. Inzwischen ist der Mensch für einen immer größeren Anteil dieser geologischen Umformung verantwortlich. Von den ersten Agrargesellschaften vor beinahe 7.000 Jahren bis zum heutigen hochtechnisierten Skizirkus verändert der Mensch den alpinen Naturraum zusehends.
Lange Zeit mieden die Menschen die hohen Berge. Sie wurden als nutzloses und gefährliches Ödland betrachtet und dementsprechend gefürchtet. Nach und nach wurden diese einst unzugänglichen Regionen besiedelt und kultiviert. Nur die Gipfel waren für den menschlichen Lebensbedarf uninteressant. Das änderte sich im 18. Jahrhundert rasch. Der Berg ruft! Die ersten Gipfelstürmer machten sich auf, um die Alpen zu erkunden. Die Begierde, sich dem Unbekannten zu stellen und Furcht durch Vernunft und Forschung zu besiegen, führte nicht nur Alpinisten, sondern auch Naturforscher, Geologen und Humanisten in die zunächst grauenerregenden, aber auch unwiderstehlichen Gipfel des Hochgebirges.
Die Alpenbewohner sind zunächst äußerst erstaunt, dass Großstädter sich für ihre schroffe, unwirtliche Natur begeistern. Auf die erste Verblüffung folgt der Profitgedanke. Bereits der Philosoph Hegel beklagte sich Ende des 18. Jahrhunderts über die hohen Preise in den Alpenregionen. Die Bezwingung des Mont Blanc im Jahr 1787 markierte den Beginn des Alpinismus. Der Berg als allen offenstehender Raum wurde in den Alpen allmählich zum Zankapfel zwischen den Nationen, die dort ihren verbissenen Wettbewerb um Sieg und Macht austrugen.
Die Verbesserung des Straßennetzes gab der touristischen Entwicklung im Dolomitengebiet einen definitiven Schub. Der in Wien geborene Theodor Christomannos forcierte 1909 das kühnste Straßenprojekt jener Pionierzeit: die Dolomitenstraße, die Bozen mit Cortina und Toblach verband. Abgesehen von den beiden Weltkriegen hat sich der Tourismusansturm seitdem immer exponentiell gesteigert. Betrachtet man die jährliche Besucherzahl von 5.200 Touristen die in der Gemeinde St. Ulrich im Jahr 1910, so sprechen die 37,1 Millionen Übernachtungen des Grödentales im Jahr 2024 für sich.
Noch verstärkt als in der vorletzten Jahrhundertwende erleben wir jetzt eine übersteigerte Natursehnsucht. Die Bergwelt wird noch stärker als Zufluchtsort und als alpines Paradies reklamiert. In unserem digitalen Zeitalter drängt ein utopisches Verlangen nach einsamen, alpinen Erlebnissen und der Traum einer gewaltigen, unberührten Natur ist omnipräsent. Doch am Beispiel des Hochgebirges hat sich wie an kaum einer anderen Region gezeigt, dass kein Ort und keine als ewig geltende Natur von der zerstörerischen Energie des Menschen ausgenommen ist.
Die Ausstellung „Berge zwischen Mythos und Kommerz“ thematisiert die sich wandelnde menschliche Beziehung zu den Bergen. Anhand ausgewählter Kunstwerke wird die einstige mystische und beinahe überirdische Sichtweise der Berge der heutigen ausbeuterischen Intention gegenübergestellt. Ab der Mitte des 18. Jahrhunderts inspirierte die wilde Natur zu einem sehnsüchtigen Traum von Einsamkeit, Erhabenheit und der Schönheit der Gipfelwelt. Dabei entstanden Bergdarstellungen von emotionaler Nähe. Im Hinblick auf die heutige Situation finden Künstler*innen vermehrt kritische Haltungen und Anspielungen gegenüber der Berglandschaft. So versteht es die zeitgenössische Kunst, die Spannung zwischen Realitätswahrnehmung und traditioneller Bildwelt offenzuhalten, und sie pendelt dabei zwischen paradiesischer Darstellung und angelegtem Schicksal.
Teilnehmende Künstler*innen: Elisabeth Frei, Gotthard Bonell, Erich Erler, Rolf Bakalla, Pante Demetz, Claudio Costantino Tagliabue, Konrad Petrides, Gregor Prugger und Leonhard Angerer
Jetzt anfragen