Gruppenausstellung „Capacity of Line“

27.08 - 24.09.22

„Nichts ist konkreter, realer als eine Linie, als eine Farbe, als eine Fläche", erklären die Mitglieder der Gruppe Konkrete Kunst, im Gründungsjahr 1930.

Die Gruppenausstellung „Capacity of Line“ lädt uns ein, fünf Künstler zu entdecken, die diese Bewegung durch neue Werke fortsetzen, die Abstraktion, Symbolik, Dynamik und Technik kombinieren. Dabei dient den Künstler*innen Magdalena Bolego, Luise von Roheden, Flavio Senoner, Daniel Mirchev und Egon Digon, die Linie als Ausgangspunkt und Inspirationsquelle.

 

Die geometrische Abstraktion, die in den 1910er Jahren geboren wurde, findet ihren Ansatz aus der Linie, einer klar erkennbaren Linie oder einer Linie, die Flächen begrenzt. Während die geometrische Abstraktion von einer Ausarbeitung der Formen und Linien basiert, geht die konkrete Kunst noch weiter und nutzt die Systematisierung von geometrischen Formen als Gestaltungsmittel.

Diese abstrakten Kunstströmungen haben zweifellos endlose Perspektiven in der Kunst geöffnet, die bis heute unerschöpflich geblieben sind. Im Laufe des letzten Jahrhunderts haben sie ihre Vitalität unter Beweis gestellt, sich neu erfunden und ihren Ausdrucksfeld entsprechend dem technologischen Fortschritt erweitert. Als Parallelausdruck zur Gegenständlichen Kunst hat die Abstraktion das gesamte 20. Jahrhundert, und darüber hinaus, bereichert.

Neben ihrer ästhetischen und visuellen Natur ist die Abstraktion auch eine Quelle symbolischer Reflexion. Stets war der Künstler bemüht, Neuland des Bewusstseins zu betreten, Erkenntnisse aus den Abgründen des Ungewissen zu gewinnen. Dynamik und Perfektion in der Ausführung nützten dem Ziel, einer geistig, intellektuellen Gestaltung zum Ausdruck zu verhelfen. Die geschaffenen, abstrakten Kompositionen und Strukturen sind wesenhafte Spuren einer Gegenwelt, einer „Turbulenz im Unendlichen“, die niemals ohne Verbindung zur realen Welt ist.

 

Die in der Ausstellung „Capacity of Line“ versammelten, allesamt abstrakten künstlerischen Positionen stellen Fragen nach den Möglichkeiten und der Immensität der abstrakten Kunst. Es verbindet sie die Erkundung der Potenziale von Linie und Form. Teils geschieht dies in konsequent analytischer, geradezu, mathematischer Weise, teils auch zwischen Konzept und Zufall changierend. Dabei werden stets die Eigenschaften der Linie befragt, überschritten und neu definiert. Rhythmus und Dynamik bestimmen ihr Werk. Damit zeigen die Künstler*innen einen neuen, lebhaften Facettenreichtum der Abstraktion. Der Dialog mit dem Betrachter findet, über die unmittelbare Emotionalität der künstlerischen Kompositionen statt. Sie bewirken starke Reize, welche über den Sehsinn hinaus den gesamten Körper der jeweiligen Rezipient_innen affizieren, und fungieren als Strategien der sinnlichen Irritation, Überforderung und auch Täuschung.

 

Zu den einzelnen Künstler*innen

Magdalena Bolego

Einen spontan, aus den Unbewusstsein heraus entstandenen Malgestus verdichtet die Künstlerin Magdalena Bolego zu einem wirbelnden Energiefeld. Die Lebendigkeit der schnellen Ausführung tritt vor allem in der unendlichen Variation zutage. Die Gleichzeitigkeit des Ungleichen, das Nebeneinander und Überlappen von Linien werden anschaulich. Die Rhythmik geht über eine pure Bewegung der Hand hinaus, die Linien formen sich zu Zeichen. Bunte Linien, mit schmalen oder breitem Pinsel aufgetragen, bestimmen den gitterähnlichen Bildaufbau. Das, was wir als "Linien" betrachten, sind in der Tat aber Wege des Geistes. Bolego rekrutiert die Kraft ihrer Werke aus den angesammelten persönlichen Emotionen und Empfindungen. Ihre Werke sind von farbigen Bahnen des Lebens charakterisiert. Damit weist die Künstlerin auf ihre künstlerische Intention, ihre Kunst, als positive Aussage der Welt zu vermitteln. Durch ihre Feinfühligkeit und Sensibilität gelingt es ihr, optimistische Anregungen im Betrachter zu erwecken.

 

Flavio Senoner

Flavio Senoner’s Kunstwerke rufen uns auf, aus verschiedenen Blickwinkeln und in unterschiedlichen Entfernungen betrachtet zu werden. Senoner‘s rhythmische Vibrationen stehen still. Damit sich ihre flirrenden, nahezu hypnotischen Effekte voll entfalten können, muss der Betrachter sich bewegen. Je nach Blickwinkel verändert diese Anordnung ihre Wirkung. Optischen Effekte im Zusammenspiel von Material, Struktur, Bewegung und Licht, vervollständigen die Substanz seiner Kunst. Er nützt sein technisches Wissen, um künstlerische visuelle Erlebnisse zu schaffen. Seine interdisziplinäre Forschung mit den natürlichen Materialien Holz und Gips, und den daraus resultierenden harmonischen Kunstwerken, leiten uns hinein, im rhythmischen und regelmäßigen Zyklus der Natur.

 

Egon Digon

Ausgehend von geometrischen Formen erforscht Egon Digon in seinen Arbeiten die Möglichkeiten der Verzerrung. Die Kompression und der scheinbare Schub des Materials Holz, gewinnt an Verformungen und bricht die formale Ästhetik der Ausgangsform. Aus seiner Faszination für Linie, Kante und Form entzieht und erhebt er deren Gültigkeit. Das Werk stellt eine akribisch und langwierige Herstellung voraus. Wobei man erst beim Nähertreten die Kleinteiligkeit und das Formenpotential, der weichen, vollen und leeren Formen erkennt. Im Hinblick auf die Zersetzung der Geometrie, entstehen visuelle Täuschungen. Digon’s Werk findet ihre Erfüllung – sei es als Irritation um der Irritation willen, sei es als Form um der Form willen. Die Irritation ist mindestens genauso ein Produkt des Betrachters wie des Werkes.

 

Luise von Roheden

Luise von Roheden’s Arbeiten resultieren aus einem eingehenden Prozess der Erforschung von Linien und deren Variation. Der Schwingungswechsel spiegelt sich im weißen Schimmer zwischen den Farbräumen wider. In ihrem meditativen Arbeitsprozess kreiert von Roheden harmonische Linienbewegungen. Dynamik und zügige Ausführung nützen dem Ziel, einer

spontane anmutenden Gestaltung zu verhelfen. Ruhe trotz Bewegung. Von Roheden monochrome Bildsprache lässt scheinbar Unbewusstes erwachen. Die Einfarbigkeit beherrscht das Papier. Wodurch sich gleichmäßig geschwungenen, leuchtend graue Linien von zarten Grautönen legen. Der leichte, lasierende Farbauftrag überlappt sich und schafft Verknüpfungen und Vibration. Das dabei entstehende Helldunkel gibt dem Bild eine eigenartige Räumlichkeit, die destabilisierend wirkt und trotzdem beruhigt. Denn in der informellen, befreiten Geste tut sich eine Suche nach Ordnung auf. Die Künstlerin lässt ein poetisches Raumgefüge entstehen. Immer ist der Malakt sichtbar: die erste Berührung von Pinsel und Papier, die Bewegungen und das entschiedene Absetzten zum Schluss – ein serieller Prozess, der in jedem Pinselstrich von neuem seinen Ausdruck findet.

 

Daniel Mirchev

Eine lebendige Dynamik zeigt sich in den Werken des Künstlers Daniel Mirchev. Seine Werke changieren zwischen geometrisch-abstrakter Kunst und zeitgenössischem Design. In seine eleganten Kompositionen ist die Linie die allentscheidende Komponente des Arbeitsprozesses. Mirchev Praxis ist das Erforschen der Substanz und Wirkung von geschwungenen sowie auch geraden Linien. Rasterstrukturen und Liniengefügen können als analytische, abstrahierende oder intuitive Übersetzungen von Alltagsanregungen gelesen werden. So erlangen seine Werke einen magischen Reiz der Metaphysisches und Transzendentes entstehen lässt. Der Künstler nutzt seine kreative Vorstellungskraft und sein Wissen über Geometrie, Raum, Kompositionen und Harmonie, um seine Werke entstehen zu lassen. Die angesammelte materialisierte Energie, entflieht mit großer Vitalität, durch Linien und Wellen in Richtung Freiheit.

 

Die Künstler*innen parodieren in der Ausstellung „Capacity of Line“ sein ästhetisches Selbstverständnis im Zeitalter der technologischen Bildproduktion und Distribution. Im Gegensatz dazu werden in ihren Werken, persönlich-emotionale Werte nicht ausgeschaltet. Die geometrische Markierung enthüllt sich hier als eine Art „Topologie der Seele“, die in der Dynamik des Systems übertragen wird.

Das Kunstschaffen von Magdalena Bolego, Flavio Senoner, Egon Digon, Luise von Roheden und Daliel Mirchev, ist eine Fortsetzung der unbegrenzten Praktiken der Linie. Es ist ein Beweis, dass die Linie ihren Debüt, für die Ewigkeit, immer wieder von neuem feiern wird. 

 

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