Ausstellung – „Nackte Männer“

18.02 - 19.03.22

Vom 18.02.2022 bis zum 19.03.2022 zeigen 14 Künstler*innen in der Vijion Art Gallery ihre Werke, die sich mit dem Thema Männlichkeiten auseinandersetzten. Die Ausstellung untersucht auf welcher Weise Männlichkeit in den letzten Jahrzehnten in der visuellen Kunst erlebt, hergestellt, kodiert und sozial konstruiert wird.

 

In einer Zeit, in der sich klassische Männlichkeitsbilder in der Krise befinden und Begriffe wie „toxische“ und „fragile“ Männlichkeit gesellschaftliche Diskurse prägen, möchten die Künstler*innen Thabata Arduini, Julia Runggaldier, Josef Kostner, Harald Plattner, Anton Christian, Klaus Rungger, Lois Anvidalfarei, Gehard Demetz, Stefan Perathoner, Karl Plattner, Sophie Eymond, Ottavia Demetz, Aron Demetz und Johannes Herster uns zu neuen Wahrnehmungen, Erkenntnisse und Perspektiven bringen.

Die Darstellung konventioneller und bisweilen klischeehafter männlicher Subjekts erlebte bereits seit den letzten Jahrzehnten einen großen Umbruch. Künstler*innen haben konsequent versucht, die engen Genderdefinitionen zu destabilisieren, die unsere sozialen Strukturen bestimmen, um somit Identität, Gender und Sexualität neu zu definieren. Hinterfragt wurde und wird das Bild der traditionellen Männlichkeit als idealisierte, dominierende heterosexuelle Männlichkeit.

 

Historisch unterzog sich das Männlichkeitsbild innerhalb der verschiedener Kulturen einem enormen Wandel. Die männliche Nacktheit, in der Antike strahlte Kraft, Energie, Autonomie, Einheit von körperlicher und geistiger Schönheit aus und versinnbildlichte sich als Abbildung eines Helden, wie das Beispiel des Herkules.

Im Mittelalter finden sich verschiedene Bildhauer die unverhüllte Plastiken schufen, meist jedoch mit christlicher Thematik: Adam und Eva, Verdammte in der Hölle, Märtyrer die gegeißelt werden und Christus selbst. Während diese Figuren im Mittelalter leiden oder sich genieren, wird die Nacktheit in der Renaissance zelebriert: In keiner anderen Epoche seit der Antike finden sich so zahlreiche und vielfältige Aktdarstellungen.

Die italienische Renaissance war eine, für die Akt Kunst, markante Zeit, die dem Akt eine zentrale Stellung gebot. Die „Hauptstadt der Nacktheit“ war zweifelslos Florenz. Florenz erwarb über das 15. Jahrhundert hinweg Skulpturen von Donatello und Verrocchio, sodass der siegreiche David zur Symbolfigur der Stadt wurde. Dieser bronzene David von 1446 ist frappiert in Erscheinung eines „begehrenswerten Jünglings“. Seine Nacktheit wird durch die spärlichen Accessoires wie Helm und Stiefelsandalen nur noch stärker betont.

Eines der berühmtesten und am meisten vervielfältigten Bildmotive ist sicherlich der Vitruvianischer Mensch von Leonardo da Vinci. Damit hat Leonardo den Grundsatz zur Proportionsregel bestimmt. Das 15. Jahrhundert hat wunderbare männliche Akte von raffinierter formaler Schönheit und plastischem Überschwang hervorgebracht. Tatsächlich fixierte sich die Renaissance auf die Erotik eines jugendlichen, sportlichen Männerkörper. Völlige Nacktheit war ohnehin den jungen Männern bei sportlicher Betätigung vorbehalten. Michelangelo zeigt demgegenüber den David, im Bild eines athletischen, junghaften Mannes. Michelangelos David ist der Inbegriff eines autonomen Sujets.

 

In der Renaissance entstehen zunehmend Akademien, die sich explizit dem Akt widmen. Dabei bildete der männliche Akt den Grundstein der Gelehrsamkeit, eine Position, die bis ins 19. Jh. anhielt.

Man beachte aber immer, dass das Körperbild niemals ein Abbild von Natur ist, auch nicht eine idealisierte Perfektion von Natur, sondern immer ein symbiotisches Gebilde (das Zusammenwirken von mehreren Faktoren, die sich vielfach gegenseitig begünstigen), ein System von Zeichen. 

Einen Zeitsprung in die erste Hälfte des 20. Jh. lässt uns den Wandel im männlichen Aktbild erkennen. Vorzugsweise wird das Männlichkeitsideal als aggressivere, heroische Persönlichkeit dargestellt. Diese Männerdarstellung wurde im Nationalsozialismus relevant, weil sie Kraft und Mut vermittelte. In der Folge wird ein stoischer Mensch dargestellt, gleichmütig, unerschütterlich und von keinen emotionalen Schwankungen geprägt.

Als die zweite Welle der feministischen Bewegung in den 1960er und 70er Jahren an Anerkennung gewann, versuchten Aktivist*innen, tief verwurzelte Vorstellungen von Männlichkeit zu entlarven, zu kritisieren und alternative Perspektiven auf Geschlecht und Repräsentation zu artikulieren. Viele Künstler*innen haben seit den 1960er Jahren diese Ungleichheiten thematisiert, um die Position des Patriarchats zu hinterfragen.

Dabei standen Vorstellungen von Männlichkeit zunehmend auf dem Prüfstand und wurden als toxisch oder fragil diskutiert. Besonders aktuell war eine Untersuchung dieses weitreichenden Themas angesichts des globalen soziopolitischen Klimas: Ein „maskulinistischer Nationalismus“, gekennzeichnet durch männliche Führer, die der Welt ihr Bild als „starke“ Männer präsentierten.

 

In folgender Auseinandersetzung stand die Homosexualität, die von Vorurteilen und rechtlichen Zwängen aufgeladen war. Darüber hinaus wurden bahnbrechende Themen expliziert, wie Identität, den Schwarzen Körper, Macht und Patriarchat, die Wahrnehmung von Männern durch Frauen, heteronormative Stereotypen, hegemoniale Männlichkeit und Familie.

 

Die Männlichkeit wird zunehmen zu einer performativen Identität, die von kulturellen und sozialen Kräften geprägt ist. In den letzten fünf Jahrzehnten haben Künstler*innen immer wieder versucht, jene engen Definitionen von Geschlecht zu durchbrechen und durcheinander zu bringen. Ein Ziel war es gesellschaftliche Strukturen aufzulösen, um so neue Wege des Denkens über Identität, Geschlecht und Sexualität zu fördern.

Es ging nicht darum, den heterosexuellen Binär der Geschlechter zu problematisieren und unterdrückende homosexuelle Stereotypen zu zerschlagen, sondern Queerness als natürlichen Seinszustand zu feiern.

 

Was als „männlich“ betrachtet wurde, hat sich in dieser historischen Epoche und innerhalb verschiedener Kulturen erheblich verändert. Im 21. Jahrhundert erscheint es angebrachter, über „Männlichkeit“ im Plural nachzudenken, um zu unterstreichen, auf welch vielfältige Arten man ein Mann sein oder eben werden kann. Die Rede ist hier von Hypermaskulinität bis Queerness (Merkwürdigkeit – Seltsamkeit).

 

Der Umbruch in neuen Menschenauffassungen hat in der vielseitigen, visuellen Kunst, ihren Ausdruck gefunden. In der Werbebrache, wo einst nur Frauenkörper publiziert wurden, erlebt zunehmend auch der männliche Körper seinen Ruhm. Der erste männliche, fotografische Akt findet sich erstmals 1967 in einer Werbeanzeige.

 

Die Fotoserie des amerikanischen Künstlers Robert Mapplethorpe, aus dem Jahr 1980, zeigt das Gleichgewicht des nackten und vollkommenen Körpers, eine Bilderserie, die von Polemiken und Vorwürfen begleitet wurde.

Der Fokus in den 1980er und 1990er Jahren, richtet sich zunehmend dem männlichen Körper. Idealisierte Bilder von nackten oder halbnackten Männern werden in den großen westlichen Massenmedien üblich. Der muskulöse, männliche Körper ist jetzt in zahlreichen Werbespots vertreten.

Die Verführung des Schönen wird zunehmend im Kunstwerk glorifiziert. Mit erotischen Akzenten entledigt sich der Akt vom Ideal und den Referenzen der Vergangenheit, um sich in eine neue, zeitgenössischen Kultur zu verankern. Als Beispiel dazu kann David Hockney zitiert werden, der in seiner Malerei eine überhöhte Erotik geschickt interpretierte. Diese Besonderheit charakterisiert auch das Werk Andy Warhols. Ein eklatantes, sehr direktes Beispiel von Homosexualität zeigt der amerikanische Künstler Charles Ray im Werk „Oh! Charly, Charly, Charly“, mit mehrfach produzierten, männlichen Puppen.

Realistische Abdrücke von lebendigen Körper werden, ab den 90er Jahre, vielfach verwendet um auf die Forschung der Gentechnik, die Organtransplantationen und die Fluidität zwischen den beiden Geschlechter zu verweisen.

Dem Forschungsfeld zum Thema Männlichkeit, ab den 90ger Jahren des letzten Jh., haben die Künstler*in Jürgen Klauke und Urs Lüthi (Fotografien) und Renate Bertlmann (organische Skulpturen), verschiedentlich aufgearbeitet. Sie zeigen die Absurdität der Art und Weise, mit der wir an Abgrenzungen festhalten. 

 

 

Indem sie das Bild traditioneller Männlichkeit – lose definiert als eine idealisierte, dominierende heterosexuelle Männlichkeit – hinterfragen, wecken uns die  präsentierten Künstler*innen Thabata Arduini, Julia Runggaldier, Josef Kostner, Harald Plattner, Anton Christian, Klaus Rungger, Lois Anvidalfarei, Gehard Demetz, Stefan Perathoner, Karl Plattner und Johannes Herster neue Wahrnehmungen des maskulinen Stereotyp.

Anhang dieser Werke werden künstlerische Blicke sowohl in die Vergangenheit als auch in die Gegenwart und in die mögliche Zukunft geworfen, um die überholte Hypermaskulinität neu zu definieren.

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